Wer reist, lässt sich im Idealfall von den Impulsen bereichern, verändert sich durch jede Reise ein kleinwenig.
Klar, nicht jede Reise bedeutet den großen Umbruch. Der Alltag und seine Gewohnheiten holen uns nur allzu schnell wieder ein. Das merken die meisten von uns nach jedem Urlaub schneller als uns lieb ist.
Und doch bleibt von jeder Reise etwas hängen. Wir verändern uns in Mikrobewegungen und wir verändern dadurch auch unser Umfeld.
Als Reisende verändern wir beispielsweise die Landschaft und die Menschen, denen wir begegnen. Im Idealfall passiert all das sehr behutsam und mit Bedacht, aber es geschieht so oder so.
Und auch daheim, wenn wir von unseren Reisen und den Begegnungen, unseren Eindrücken und persönlichen Einordnungen des Erlebten berichten, dann beeinflussen wir damit wiederum unser heimisches Umfeld, inspirieren vielleicht zu eigener Reisetätigkeit, regen zum Nachdenken an über ähnlich Erlebtes und anders Eingeordnetes.
Wir sind also im Kleinen alle miteinander Influencer:innen füreinander.
Über den letzten Sommerurlaub zu berichten, ins Gespräch darüber zu kommen, fällt uns leicht und so stelle ich mir ab und an die Frage: Warum klappt das beim Sommerurlaub – der je nach Geschmack ja doch sehr unterschiedlich ausfallen kann – so gut und warum können wir dies nicht auch für unsere Reisen im Kopf, also unsere Gedanken und Gefühle und die Erzählungen darüber, ebenso machen? Wäre das Leben dann nicht für alle entspannter und zugleich bereicherter?
Wenn wir über unsere Gedanken und Gefühle ebenso locker berichten könnten und dürften, weil wir wüssten, die andere Seite hört uns aufrichtig zu, lässt das, was ich sage, offenstehen. So könnten wir uns von den Meinungen der anderen eher inspirieren und bereichern lassen – eben als würde jemand von seinen Reisen in oft ganz spannende Gebiete, in die ich mich selbst nie hineingewagt hätte, erzählen. Bei Gedanken suchen wir hingegen gleich nach den Argumentationslücken und dem, was uns an der Aussage des anderen/der anderen missfällt.
Für mich gehören das tatsächliche Reisen und das Reisen in Gedanken unmittelbar zusammen, so dass sich für mich hinter beidem dieselbe Grundhaltung findet: eine Grundhaltung der Offenheit, der ehrlichen und vorbehaltlosen Neugier, die am anderen interessiert ist, ohne ihn:sie gleich zu be- oder gar zu verurteilen, wohl aber das Gesagte für sich selbst einzuordnen und fassbar zu machen.
Denn wer nicht auch einmal in andere Filterblasen reist, wie in ein fremdes Land und ergebnisoffen schaut, was dort so abgeht, wie die Kultur dort funktioniert, was den Menschen dort wichtig ist, wie sie Prozesse einordnen, welche Worte sie am liebsten nutzen, welche Sichtweisen sie bevorzugen, auch welche Farben und Schriftarten, welche Musik und welche Kunst sie inspiriert, der:die wird in seiner Weltsicht und ihrer Art den Alltag anzugehen zwar oft bestätigt werden, aber eben auch ein wenig stehen bleiben.
Vielleicht täte es uns gut, beispielsweise als Großstädter:innen mal mehr über die Lebensrealität der Menschen am Land nachzudenken – ohne dabei das Landleben abwerten oder andersherum romantisieren zu wollen – und vielleicht täte es den Menschen am Land andersherum gut, die Städter:innen nicht nur skeptisch zu beäugen, sondern den Versuch zu unternehmen, ernstlich zu verstehen, was die Menschen in der Stadt dazu bewegt, dort zu leben, was ihre Ängste, aber auch Träume sind und warum sie einem selbst zuweilen so „extra“ vorkommen.
Gleiches könnte ich für unterschiedliche Gemeindekulturen ebenso sagen.
Auf meiner österreichweiten Stelle komme ich im Land herum, habe beruflich als Pfarrperson schon mehrere Gemeinden erlebt, nehme wahr, dass auch jede EJ als Community ihren eigenen Style hat.
Wohlgemerkt: Ich nehme das wahr. Ich bewerte das nicht.
Natürlich ist für mich persönlich das eine anknüpfungsfähiger als das andere, würde ich bei den einen manches ähnlich handhaben, bei anderen manches ganz anders. Das bedeutet aber nicht, dass ich das eine besser oder das andere schlechter finde. In manches finde ich mich nur leichter ein und in anderes schwerer. Aber gerade das für mich schwerere Einfinden lohnt sich meines Erachtens besonders zu reflektieren, weil es oft Gründe dafür gibt, die mir helfen, mich selbst besser zu verstehen. Dafür habe ich mein ganzes Leben Zeit und es ist schön, hier mit mir selbst auf der Reise zu sein.
Umso mehr wünsche ich uns allen als österreichweite EJ-Community, dass wir bei überregionalen Events oder gar bundesweiten Veranstaltungen die Stärken der Begegnung und die Chancen, Neues kennen zu lernen, miteinander erleben. Ich wünsche uns, dass wir im Abgleich mit dem, was jedem und jeder von uns selbst gefällt oder missfällt, uns selbst immer besser verstehen lernen und uns das zu Nutze machen.
Dass wir alle offen und ehrlich neugierig aufeinander zugehen, das wünsche ich mir für alle Gemeinden und EJs als Jugendpfarrerin auf Bundesebene sehr… denn genau das ist mein Job, dazu immer mal wieder zu ermutigen. :-)
Also: Lasst uns diese Grundhaltung der ehrlichen und vorbehaltlosen Neugier leben und manchmal miteinander eine kleine Wegstrecke gemeinsam reisen. Ich freue mich darauf und auf euch.