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Braucht es Politik in einer Jugendorganisation?


04. Juni 2025

Gen Z ist politisiert, so das Vorurteil über die sogenannte Generation Z. Die differenzierter Argumentierenden fügen noch hinzu: natürlich nur eine bestimmte Klientel dieser Generation, aber diese dafür umso lauter und meinungsstärker!

GOTT* sei Dank, sagen die einen – endlich ist die Jugend nicht mehr apathisch, leidenschaftslos und politikverdrossen; oder andersherum nur noch vergnügungssüchtig und um sich selbst kreisend. Dinge, die man der Jugend allgemeinhin sonst so vorwirft.

Aber nun sind die jungen Menschen zu radikal, zu spalterisch, zu kompromisslos, zu fordernd, zu anstrengend, zu – füge deinen Lieblingsvorwurf hier ein ;-), so sagen die anderen.

Nun: Ist das überhaupt so? Wie tickt Gen Z[1] wirklich?

Mehrere Jugendstudien belegen – sei es die Shell Jugendstudie in Deutschland[2] oder die Ö3 Jugendstudie in Österreich[3]: Gen Z ist familienorientiert. Freunde, Familie, stabile Beziehungen und gutes Gehalt sind Gen Z besondere Herzensanliegen. Gen Z hat Angst vor (noch mehr) Krieg in Europa und dem Klimawandel. 

Wobei hier wichtig ist zu betonen, wenn wir von Gen Z oder irgendeiner Generation reden, tun wir oft so, als wenn das eine homogene Gruppe wäre, quasi eine repräsentative Person. Dem ist natürlich nicht so!

Das wissen wir in der Jugendarbeit schon lange: Die sogenannte Jugend gibt es nicht. Es gibt viele junge Menschen, die genauso unterschiedlich und vielfältig leben, denken, fühlen und glauben, wie die älteren Generationen eben auch; vermutlich sogar noch mehr, da heute die Vielfalt an Lebensentwürfen breiter ist. Klar, es gibt Tendenzen, die man dann zu Trends erklärt, aber es bleibt genau das: eine nur sehr grobe Zusammenfassung dessen, was den:die einzelne:n ausmacht.

Manche in Gen Z sind sehr laut, zumindest auf Social Media. Das stimmt schon. Vielleicht kommen sie uns aber auch nur laut vor, weil sie als digital natives, zusammen mit den jüngeren Millennials[4] die digitale Welt einfach besser verstehen und daher die Algorithmen besser bedienen und füttern können als die anderen Generationen, die sich teils immer noch mehr als Gäste und weniger als Bewohner:innen des digitalen Raumes fühlen. Content Creation im digitalen Raum passiert nun einmal hauptsächlich durch Gen Z und Millennials …und so langsam Gen Alpha[5]. Das prägt das Internet und die Debatten dort.

Ja, in der Jugend ist man kämpferischer, braucht die Abgrenzung vom weltanschaulichen Gegenüber mehr, ist die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, nach belonging zu einer Gruppe ausgeprägter als in späteren Jahren. Das stimmt wohl und das führt sicherlich auch dazu, dass man manche politischen Einstellungen ungefilterter und undifferenzierter übernimmt. 

Aber ist das später wirklich so anders oder ist man dann einfach schon eingeübter, hat seine Lagerbildung abgeschlossen und lehnt sich zurück, weil man sich längst entschieden hat, zu welcher Gruppe man gehören möchte?

Ich kann sagen: Im mittleren Alter sind manche von uns nicht mehr so laut, aber differenzierter sind wir dadurch noch lange nicht.

Klar, ist gibt auch diejenigen, die immer schon zwischen allen Stühlen oder Sesseln beheimatet sind, die sich im weltanschaulichen oder politischen Limbo wohler fühlen, mal diese und mal jene These ausprobieren oder sich bewusst nicht zuordnen lassen wollen.

Brauchen wir die Kompromisslosigkeit, um vorankommen zu können oder braucht es eben die Pontifexe, also die Brückenbauer:innen, um die Gesellschaft beieinander zu halten?

Ich denke, wir brauchen beides: Die, die krasse Thesen vorbringen, damit man sich an diesen abarbeiten kann, sich reiben und stoßen kann und es braucht die Brückenbauer:innen, die die Extreme wieder einfangen, auf dass eben ein Miteinander und nicht nur ein Gegeneinander möglich ist und so kleine Fortschritte (oft zu wenig für die einen, zu viel für die anderen, aber im Großen und Ganzen dann eben doch Fortschritte) passieren können.

Schön wäre, wenn diese unterschiedlichen Talente, die es wohl in jeder Gemeinde und Gesellschaft zu geben scheint, das wusste schon der alte Paulus (ausführlich nachlesbar in seinem 1. Korintherbrief, Kapitel 12 ;-)), sich nicht als Konkurrenz oder zusätzliche Front, sondern als Ergänzung wahrnehmen und stehen lassen könnten.

Und genau deshalb braucht es Politik in einer Jugendorganisation, denn sie ist schon längst da! 

Die in der Überschrift geäußerte Frage war quasi eine Fangfrage, so gebe ich zu, denn Politik ist immer da, wo Menschen in einem öffentlichen Rahmen über das Wohl und Wehe, das Wie des Miteinanders und die Beziehungen untereinander diskutieren. Das passiert in jeder Jugendorganisation tagtäglich; vermutlich besonders intensiv – wenn auch nicht nur dort - auch in konfessionellen Jugendorganisationen, ist doch gerade Christ:innen von Jesus aktiv der Auftrag gegeben worden, sich für die Welt und das Miteinander zu interessieren und das Wohlergehen der Mitmenschen einzusetzen. Kirche kann in dem Sinne nicht unpolitisch sein, weil uns das Wohlergehen unserer Mitmenschen, mehr noch: unserer Mitgeschöpfe etwas angeht, uns anrührt und beschäftigt. 

Und so kann ich Gen Z nur dazu gratulieren, dass sie ihre Meinungen transparent und offen, lautstark und profiliert in die Welt tragen. Ein bisschen mehr Barmherzigkeit und Milde in der Wortwahl, freundliche Zugewandtheit und Verständnis für die Anliegen des Gegenübers würde ich mir manchmal wünschen – nicht nur von Gen Z, aber auch von ihnen. Denn so könnte der Zirkel der politischen Missgunst durchbrochen werden. Vielleicht nutzen wir die Chance gemeinsam? 


[1] Bezeichnung für die Generation der zwischen 1997 bis 2010 Geborenen.

[2] https://www.shell.de/ueber-uns/initiativen/shell-jugendstudie-2024.html

[3] https://www.oe3jugendstudie.at/ 

[4] Bezeichnung für die Generation der zwischen 1980 bis 1995 Geborenen.

[5] Alle ab 2011 Geborenen.