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Ökumenischer Religionsunterricht – Gemeinsam Glauben leben und entdecken


19. November 2025

In einer Zeit, in der Vielfalt und Zusammenhalt immer wichtiger werden, gewinnt der ökumenische Religionsunterricht an der Volksschule zunehmend an Bedeutung. Dieser ist ein Zeichen für Gemeinschaft und das Aushalten von unterschiedlichen Standpunkten.

 

In einer Zeit, in der Vielfalt und Zusammenhalt immer wichtiger werden, gewinnt der ökumenische Religionsunterricht an der Volksschule zunehmend an Bedeutung. Dieser ist ein Zeichen für Gemeinschaft und das Aushalten von unterschiedlichen Standpunkten. Das Christentum als Religion dürfen wir uns wie ein Haus vorstellen, in denen mehrere Wohnungen sind. Die jeweiligen Wohnungen sind ein Sinnbild für die verschiedenen Konfessionen. Ich persönlich sage immer gerne – ich bin in der Ökumene zu Hause, weil ich mich hier wohlfühle und die Vielfalt als Bereicherung wahrnehme. Vor ein paar Jahren war ich als römisch-katholische Religionslehrerin im Lycée francais de Vienne tätig. Hierbei handelt es sich um eine französiche Privatschule mitten im 9. Wiener Gemeindebezirk. Frankreich ist bekannt für seinen gelebten Laizismus, welcher die strikte Trennung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften bedeutet. Diese französische Einstellung war spürbar und wurde ebenfalls in der Schule praktiziert. Kein religiöses Symbol durfte in einem Klassenraum hängen. Der Religionsunterricht fand immer nachmittags statt. Für mich persönlich war diese Praxis fremd, da ich es genossen hatte, christliche Schulen zu besuchen. Ein großer Vorteil von diesem Konzept war, dass jeglicher Religionsunterricht zeitgleich stattfand und es die Möglichkeit gab, zwischen einem christlichen (evangelisch und katholisch), muslimischen und jüdischen Unterricht zu wählen. Für alle, die interreligiöse bzw. ökumenische Zusammenarbeit fördern wollten - ein Traum. Denn oft scheitert solch ein Lernprozess an parallelen Unterrichtseinheiten.

Am Lycée lernte ich eine liebe Freundin und Kollegin Renate Albel kennen. Nachdem die Zeiten zu Corona ein Auf und Ab für den Unterricht bedeuteten und die Kinder es teils schwer hatten, sich im Schulalltag zurechtzufinden, hatten wir beschlossen, unsere Gruppen für einige Stunden zusammenzulegen, um die Kinder bestmöglich zu betreuen und einander zu unterstützen. In unserer ersten Einheit thematisierten wir gemeinsame Feste und die Kinder hatten viel Freude dabei. Schon in der darauffolgenden Woche fragte mich ein Schüler: „Machen wir wieder Ökumene?“ Die Kinder erlebten diese Stunden als große Bereicherung und konnten das Verbindende entdecken. Religionsunterricht war auf einmal nicht etwas Trennendes, wo jede*r in seine Gruppe ging, sondern stand für Gemeinschaft. 

Diese Erfahrung der Kinder zeigte mir, wie einfach Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft sein könnte. Schaffen wir Begegnung, lernen wir einander kennen, finden Gemeinsamkeiten und akzeptieren wir Unterschiede. Was uns trägt ist die Menschlichkeit!


Was bedeutet „ökumenischer Religionsunterricht“?
Im Mittelpunkt des ökumenischen Religionsunterrichts steht das, was Christ*innen verbindet: der Glaube an Gott, die Botschaft Jesu und die Werte des Evangeliums – Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Solidarität, Verantwortung und Frieden.
Warum ist das gerade in der Volksschule wichtig?
Kinder in der Volksschule lassen sich schnell auf Neues ein, sind unvoreingenommener und auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen der Menschheit.  Der Religionsunterricht bietet Raum, diese Fragen ernst zu nehmen und darüber zu philosophieren bzw. theologisieren. Kinder haben für vieles spannende und logische Erklärungen, aber auch eine reiche Fantasie. Ich bin jedes Mal erstaunt, welch kreative Antworten von Kindern stammen.

In einer Klasse sitzen heutzutage Schüler*innen mit unterschiedlichen religiösen oder weltanschaulichen Hintergründen. Der ökumenische Unterricht fördert hier bewusst gegenseitigen Respekt und das Miteinander, ohne die eine Seite von der anderen zu überzeugen. Für Missionierung ist kein Platz!


Gemeinsame Projekte, Feste oder das Kennenlernen von biblischen Geschichten und Themen werden zu Gelegenheiten, Glauben lebendig, erfahrbar und verbindend zu gestalten. Das Singen von Liedern, Lesen von Geschichten, Schauen von Filmen, Vertiefen der Themen durch kleine Aufgaben und das Feiern des Schulschlusses sind die Erlebnisse, an die ich mich gerne zurückerinnere. Da das Lycée meine erste Schule gewesen ist, bin ich sehr froh eine so liebe Kollegin gefunden zu haben, mit welcher Unterricht viel Freude bereitet hat und ich selbst viel lernen konnte. Ein persönliches Lernbeispiel: Zu Beginn habe ich gerne alle Unterrichtseinheiten detailliert geplant, denn so wurde es auf der Uni gelehrt. Was ich an Renate bewundert habe, war ihre Spontanität verbunden mit qualitativ hochwertigem Unterricht.

Für mich war dies in meiner Entwicklung zu der Lehrperson, die ich heute bin, eine wichtige Erkenntnis: Stundenplanungen sind wichtig und gut, aber den Verlauf der Stunde können wir nicht vorhersehen. 

Für mich steht die Beziehung zu den Schüler*innen an erster Stelle! Und wenn Kinder bzw. Jugendliche ein Thema beschäftigt, dann ist in Religion Raum dafür. Eine Frage, die mich im Handeln als Religionslehrerin bewegt, ist „What would Jesus do?“ – dies bedeutet zuzuhören, da zu sein, Frieden zu stiften, Vertrauen zu stärken, Hoffnung zu schenken uvm.  Spontan zu agieren, erfordert der Job als Lehrperson. Nach sechs Dienstjahren habe ich mir diese Spontanität angeeignet.


Vorteile des ökumenischen Unterrichts
• Gemeinschaft erleben: Kinder lernen, dass Unterschiede im Glauben nicht trennen, sondern Teil einer großen christlichen Familie sind.
• Ressourcen bündeln: Schulen profitieren von einer guten Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen, insbesondere dort, wo es nur wenige Religionslehrkräfte gibt. 
• Glauben ganzheitlich vermitteln: Durch den Blick auf beide Traditionen (evangelisch und katholisch) entsteht ein breiteres Verständnis für die Vielfalt des Christentums.
• Stärkung von Toleranz und Dialogfähigkeit: Kinder lernen, über ihren Glauben zu sprechen und andere Perspektiven zu respektieren.


Herausforderungen und Chancen
Ökumenische Religionsunterricht bringt auch Herausforderungen mit sich. Lehrkräfte müssen sensibel auf unterschiedliche Glaubenszugänge eingehen und konfessionelle Eigenheiten wahren wie zum Beispiel beim Thema Abendmahl oder Heilige. Doch gerade darin liegt eine große Chance: Kinder erleben, dass Unterschiede in Liebe und Respekt bestehen können, ohne, dass einer „Recht haben“ muss.



Ein Unterricht, der Brücken baut
Der ökumenische Religionsunterricht ist ein Weg, Glaube, Dialog und Gemeinschaft zu fördern – von klein auf. Er trägt dazu bei, dass Kinder in einer zunehmend vielfältigen Gesellschaft Orientierung finden, Empathie entwickeln und lernen, friedlich miteinander zu leben.
 

Meine Kollegin Renate Albel ist im Gegensatz zu mir bis heute am Lycée als evangelische Religionslehrerin tätig. Ich habe sie gefragt, wie sie die gemeinsame Zeit und den ökumenischen Unterricht empfunden hat und worauf sie gerne zurückblickt:

Der dialogisch-konfessionelle Religionsunterricht am Lycée Français de Vienne war und ist nach wie vor, für mich eine besonders bereichernde Erfahrung.

Während der Zusammenarbeit mit Elisabeth konnte ich meine eigene, evangelische Konfession bewusster wahrnehmen und zugleich die katholische Perspektive besser verstehen. Im gemeinsamen Austausch entstand ein offenes Miteinander, in dem Werte wie Respekt, Toleranz und Akzeptanz nicht nur besprochen, sondern tatsächlich gelebt wurden.

Besonders bereichernd war die Zusammenarbeit im Teamteaching. Durch das gemeinsame Planen und Unterrichten konnte ich meine Lehrerpersönlichkeit weiterentwickeln und im Unterricht aufmerksam, flexibel und authentisch agieren. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie wertvoll der Dialog zwischen den Konfessionen ist – für die Schüler*innen ebenso wie für uns Religionslehrerinnen.