zum Inhalt zum Menü

Beitrag

Neuer Beitrag

Weder Papst noch Protest – wer sind die Altkatholik:innen?


11. August 2025

In Österreich ist die Konfession „altkatholisch“ eine Seltenheit, ich würde sagen eine Besonderheit. Bevor ich zu studieren begonnen habe, hatte ich selbst von der Altkatholischen Kirche wenig gehört. Im Geschichteunterricht waren die Kirchen der Reformation sehr präsent. Calvin, Zwingli und natürlich Martin Luther mit seinem bekannten Thesenanschlag wurden ausführlich in der Schule behandelt.

Zu Studienzeiten änderte sich meine Sichtweise und ich lernte die Vielfalt im Christentum immer mehr kennen und schätzen. Ich besuchte Seminare zu den Ostkirchen und mein Freundeskreis erweiterte sich mit evangelischen, römisch-katholischen und altkatholischen Freund:innen. So lernte ich Albert Schromm-Sukop und seine Frau Sophia kennen. Albert studierte an der Katholisch-Theologischen Fakultät Katholische Religion auf Lehramt. Wir trafen uns öfters zum gemeinsamen Gebet, Besuch von Museen und zum Brunch. In unserem Grüppchen waren die Konfessionen etwas, was unsere Identitäten geprägt hatte. Durch den Austausch lernten wir daher nicht nur einander als Menschen kennen, sondern auch die Kirchen, denen wir angehörten. Ich empfand es als eine große Bereicherung verschiedene Gottesdienste und Veranstaltungen zu besuchen. Ein Tipp für euch: Erweitert euren Horizont, verlasst eure Bubble und besucht einen Gottesdienst entweder einer anderen Konfession oder in einem anderen Land. Im Urlaub bietet sich die beste Möglichkeit!

Um euch die Altkatholische Kirche ein wenig näherzubringen, bat ich Albert um ein Gespräch. Wir unterhielten uns über die zentralen Inhalte und Anliegen der Altkatholischen Kirche, Alberts persönliche Glaubensbiographie und seinen Einsatz in der Ökumene.

 

Albert Schromm-Sukop ist Vorsitzender des Ökumenischen Jugendrats und ehemaliger Schulamtsleiter der Altkatholischen Kirche Österreichs. Privat ist Albert verheiratet und Vater von drei wunderbaren Kindern. Im heutigen Interview erfahren wir mehr über die Altkatholische Kirche und sein Engagement in der Ökumene.

Albert, was macht für dich Christsein in der heutigen Welt aus? Was waren für dich Beweggründe deine Konfession zu ändern?

Nach der frohen Botschaft zu leben und sich, in welcher Form auch immer, für den Schwächeren einzusetzen war für mich immer schon entscheidend am Christ-Sein. „Salz der Erde“ finde ich auch ein schönes Bild, was Christ-Sein ausmacht. Ich bin katholisch sozialisiert und je länger ich im ökumenischen Kontext haupt- und ehrenamtlich arbeite, desto mehr tritt das katholisch-sein in den Hintergrund. Sei es ehrenamtlich als Vorsitzender der Ökumenischen Jugendrates in Österreich oder hauptamtlich für das gesamtchristliche Hilfswerk „Christen in Not“. Angesichts der Herausforderungen und Krisen vor denen wir als Gesamtgesellschaft stehen, scheinen viele theologische Diskussionen und Auseinandersetzungen im Innerchristlichen als beinahe lächerlich. Natürlich ist die eigene Konfession für viele auch gewissermaßen sinnstiftend. Für mich persönlich war die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Altkatholischen Kirche eine wesentliche Motivation mich in dieser Kirche zu engagieren.

 

Werfen wir einen Blick in die Geschichte: Wie kam es zur Gründung der Altkatholischen Kirche in Österreich?

Die altkatholische Bewegung entstand in den 1870er Jahren aus Protest gegen das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit. Die altkatholischen Nationalkirchen sind in der Utrechter Union organisiert. Der Erzbischof von Utrecht ist Ehrenoberhaupt der Altkatholikinnen und Altkatholiken. In Österreich ist die Altkatholische Kirche seit 1877 gesetzlich anerkannt. Ich würde an dieser Stelle noch mehr erzählen, weil ich selbst geschichtlich sehr interessiert bin, aber das würde hier den Rahmen sprengen.

 

Die Altkatholische Kirche Österreich erfreut sich an einer Bischöfin an der Spitze. Wie stehst du als Mann zu einer Frau in einer kirchlichen Führungsposition?

Nachdem Jesus Apostelinnen und Apostel berufen hat, liegt es auf der Hand, dass Männer und Frauen sich gleichermaßen für kirchliche Ämter qualifizieren. Entscheidend ist schlussendlich nicht das Geschlecht, sondern, dass eine Person für das jeweilige Amt bzw. die jeweilige Position fachlich und menschlich qualifiziert ist.  

 

Welche großen Unterschiede sollen unsere Leser:innen zwischen den Konfessionen altkatholisch - evangelisch - römisch-katholisch kennen?

Salopp formuliert ist die altkatholische Kirche theoretisch katholisch und praktisch evangelisch. Die altkatholische Kirche versteht sich auch als Brückenkirche zwischen den Kirchen und ist ökumenisch offen. Es gab jahrzehntelang einen sehr intensiven Dialog mit der Orthodoxie. Unter anderem mit der anglikanischen und philippinisch-unabhängigen Kirche, sowie mit den Thomas-Christen und der Evangelischen Kirche von Schweden sind die Altkatholischen Kirchen der Utrechter Union in Kirchengemeinschaft. Mit den Evangelischen Kirchen in Österreich teilt die Altkatholische Kirche die Geschlechtergerechtigkeit und die bischöflich-synodale Organisationsstruktur, d.h. demokratische Entscheidungen; während mit der Römisch-katholischen Kirche die Apostolische Sukzession und die sieben Sakramente geteilt werden, auch wenn es im Detail kleine Unterschiede gibt.

 

Wie kam es zur Bezeichnung "altkatholisch"?

Mit „alt“ bezog man sich auf die alte Kirche vor dem Dogma der Unfehlbarkeit des Bischofs von Rom. Aus damaliger altkatholischer Perspektive entstand dadurch eine neu-katholische Kirche, eben die römisch-katholische. So sah das bspw. auch Kaiser Franz Joseph, der daraufhin das Konkordat mit der römischen Kirche aufkündigte mit der Begründung, dass der Vertragspartner jetzt ein anderer sei.

 

Albert, du warst Leiter des Schulamtes und somit für den Religionsunterricht für alle altkatholischen Schüler:innen zuständig: Welche Formate für den Unterricht gibt es? Was sind Herausforderungen, mit denen die Altkatholische Kirche konfrontiert ist?

Bis Mitte 2024 habe ich das kirchliche Amt für Schule und Bildung der Altkatholischen Kirche in Österreich geleitet. Neben den Agenden zum Religionsunterricht, war ich auch für innerkirchliche Bildungsangebote wie bspw. das Bischöfliche Seminar verantwortlich und auch für die altkatholischen Privatschulen. Außerdem war ich erste Ansprechperson für die Schulamtsleiterinnen und -leiter der anderen Kirchen und Religionsgesellschaften und des Bildungsministeriums und auch für diverse Kooperationen verantwortlich, auch im akademischen Bereich. Grundsätzlich habe ich leider feststellen müssen, dass das Religionsunterrichtsgesetz die Situation der religiösen Minderheiten nicht angemessen berücksichtigt. Quantitativ und qualitativ sinnvoller Religionsunterricht ist dadurch flächendeckend nur für römisch-katholische Schülerinnen und Schüler möglich. Im konkreten Fall des altkatholischen Religionsunterrichts gab es immer wieder Akteure die versucht haben das Abhalten des Altkatholischen Religionsunterrichts zu erschweren oder gar zu verhindern. Persönlich habe ich da auch einen Geschlechterunterschied festgestellt: je mehr Frauen als Verantwortliche involviert waren (Schuldirektion, Administration, Bildungsdirektion) desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass Altkatholischer Religionsunterricht unter guten Bedingungen stattfinden konnte.

 

Der Ökumenische Jugendrat ist eine Plattform, um sich über die Jugendarbeit der verschiedenen Kirchen auszutauschen. Was wären Aspekte, welche du als besondere Bereicherung für die Altkatholische Kirche betrachtest?

Nicht nur der Austausch, sondern auch die konkrete Kooperation ist ein Anliegen des Ökumenischen Jugendrates. „Zusammenarbeit christlicher Kinder- und Jugendorganisationen seit 1958“ steht da auf unserer Homepage (oekumenischer-jugendrat.at) auf den Punkt gebracht. Der Ökumenische Jugendrat ist das älteste ökumenische Gremium auf Nationalebene in Österreich. Mit mir als Vorsitzendem gibt es auch vermehrt interreligiöse Angebote – so hat der ÖJR das Fest religiöser Minderheiten und Kulturen an der Universität Wien im Mai 2024 maßgeblich mitgetragen. Das Fest war ein voller Erfolg und wir durften rund 1.000 Besucherinnen und Besucher aus ganz Österreich begrüßen.

Jemand, ich bin mir leider nicht mehr sicher wer genau, hat einmal die Altkatholische Kirche als ökumenischen Herzschrittmacher bezeichnet und das kann ich mit Blick auf Österreich bestätigen. Bspw. die Gründung des Ökumenischen Jugendrates und des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich wurde besonders von altkatholischer Seite forciert und unterstützt. Für die Kleinheit der Altkatholischen Kirche ist sie überproportional ökumenisch engagiert. Diese Vernetzung, besonders „hinter den Kulissen“ ist eine Bereicherung für die Altkatholische Kirche. Umso schmerzhafter war der Verlust des Karfreitags für Evangelische und Altkatholische. Das wäre ein ambitioniertes interreligiöses Projekt für die Zukunft: eine Bundesregierung, die sich mit allen Kirchen- und Religionsgesellschaften zusammensetzt und die Feiertage so neu gestaltet, dass die religiöse Diversität der österreichischen Gesellschaft richtig abgebildet wird.