Ostern ist ein Fest, das sich schwer einordnen lässt – besonders dann, wenn man es mit den Mitteln heutiger Rationalität greifen möchte. Ein Mensch, gestorben, beerdigt, und dann lebt er wieder? Diese Vorstellung liegt quer zu fast allem, was wir über biologische Abläufe und medizinische Möglichkeiten wissen. Dass so etwas Anlass für berechtigte Skepsis bietet, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern fast geboten – gerade in heutigen Zeiten, in denen wir mit den abenteuerlichsten Stories konfrontiert werden, die sich allzu oft als Fake News entlarven.
Die biblischen Erzählungen über das, was „nach dem Tod“ Jesu geschah, sind auffallend uneindeutig. Keine Kamera hält das Geschehen im Grab fest. Niemand beschreibt einen Moment des Wiedererwachens. Stattdessen: ein leeres Grab. Irritation. Verwirrung. Und dann Begegnungen mit einer Gestalt, die vertraut und fremd zugleich ist. Maria erkennt Jesus erst, als er ihren Namen sagt. Zwei Jünger wandern mit ihm nach Emmaus, ohne zu ahnen, wer da mit ihnen geht. Thomas zweifelt und glaubt erst, dass der, den er sieht, auch der ist, an den er glauben möchte.
Es sind keine triumphalen Berichte. Sie sind unsicher, fragend. Der Auferstandene ist kein Zurückgekehrter im Sinne einer biologisch wiederhergestellten Version seines früheren Ichs. Er ist verwandelt – und genau darin liegt eine Spur der Deutung: Die Auferstehung ist kein Rückschritt ins alte Leben, sondern ein Aufbruch in eine neue Weise von Dasein.
Die Botschaft von Ostern bewegt sich in dem Spannungsfeld zwischen Realität und Wahrheit. Sie stellt keine Diagnose, sondern eröffnet eine Perspektive: Dass das, was wie ein Ende aussieht, nicht das Ende sein muss. Dass in der Erfahrung von Verlust, Scheitern und Tod nicht nur Leere, sondern auch Wandlung möglich ist.
Es geht also nicht um ein spektakuläres Ausnahmephänomen, das sich mit genug Technik vielleicht eines Tages nachvollziehen lässt. Es geht um eine Haltung zur Welt. Um eine Hoffnung, die sich nicht aus Beweisen speist, sondern aus Vertrauen – und aus der Erfahrung, dass sich in der Begegnung mit dem, was größer ist als wir, etwas verändert.
Für viele mag das wenig greifbar klingen. Vielleicht sogar ein wenig zu schwammig. Aber genau darin liegt eine Stärke: Der christliche Glaube ist nicht auf absolute – naturwissenschaftliche – Gewissheiten angewiesen, um tragfähig zu sein. Er lebt vom Erzählen, vom Deuten, vom gemeinsamen Erinnern und Hoffen. Die ersten Christ:innen hatten keine Beweise – aber sie hatten die Erfahrung, dass sich ihr Leben durch diese Begegnung grundlegend verändert hatte.
Heute scheint sich das Bild gewandelt zu haben: Wir haben häufig mehr „Beweise“ als Fragen, hören mehr Menschen reden als innehalten. Stille steht für Unterlegenheit, Innehalten für Rückschritt, Erfahrung muss bewiesen werden können, sonst ist sie nicht viel wert. Innmitten vieler Meinungen zählt die laute, nicht die lautere. Der Blick in Soziale Medien und auf das öffentliche, politische Parkett bestätigt allzu oft das Sprichwort Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Es ist viel Silber da draußen. Die Stille der Kartage bremst hier aus – unangenehm, wie die alljährlichen Karfreitagsdiskussionen um Tanz- und Musikverbote zeigen; die Uhr will nicht stehenbleiben, Stimmen nicht schweigen.
Ostern feiert den Stillstand. Den Bruch. Den Aufbruch. Was dort genau passiert wissen wir nicht, wir können nur deuten was es bedeutet: Es geht weiter! Ostern feiert das Leben. Erleben. Aufleben. Wir feiern an Ostern nicht nur die Rückkehr eines Einzelnen, sondern die Möglichkeit eines Neubeginns für uns alle – mitten im Leben, manchmal gerade dann, wenn nichts mehr danach aussieht. Keine einfache Botschaft, aber eine, die trägt.